Buddhistische Gemeinschaft Schweiz

 



Die Gründung des Nonnenordens

(Culla Vagga CV X) Fünf Jahre nach der Erwachung und nach der Gründung des Mönchsordens weilte der Buddha ein zweites Mal in seiner Heimatstadt Kapilavatthu. Ebenso wie bei seinem ersten Besuch zwei Jahre nach der Erwachung bewog sein leuchtendes Vorbild und seine Darlegung der Lehre viele seiner Landsleute, in den Orden einzutreten, um den Ausweg aus allem Leiden zu verwirklichen. Als nun viele junge Sakyer als Mönche dem Buddha gefolgt waren, fühlten sich deren Ehefrauen verlassen. Viele von ihnen hätten auch gern das religiöse Leben im Orden gewählt. Als deren Fürsprecherin ging daher die Stiefmutter des Buddha, Königin Mahapajapati, zu ihm und bat, daß er auch Frauen gestatten möge, unter der Lehre vom Hause fort in die Hauslosigkeit zu ziehen. Als er dies aber dreimal abgelehnt hatte. verabschiedete sie sich bekümmert und voller Tränen und verließ das Feigenbaumkloster, in dem vor drei Jahren ihr anderer Sohn Nando und ihr Großneffe Rahulo Aufnahme in den Orden gefunden hatten. Als sie bald darauf durch den Tod ihres Gatten, des Königs Suddhodano, erneut an die Vergänglichkeit gemahnt wurde, beschloß sie, noch einmal einen Versuch zu machen. Zusammen mit anderen Sakyerinnen , darunter ihre Tochter Nanda und ihre Schwiegertochter Yasodhara , legte sie fahle Gewänder an , schnitt die Haare ab und wollte so auf eigene Faust ein hausloses Pilgerleben führen. Als der Buddha von Kapilavatthu nach Vesali zurückgekehrt war, wo er die Regenzeit verbrachte, folgte sie ihm mit ihrer Schar von über hundert Frauen: "Nach und nach kam sie nach Vesali und begab sich zum Großen Walde, zur Halle des Giebelhauses. Mit geschwollenen Füßen und staubbedeckten Gliedern, voller Schmerz und Trübsal, weinend, tränenüberströmten Antlitzes stand Mahapajapati, die Gotamidin, vor dem Toreingang. Dort erblickte Anando sie und fragte mitleidig, was ihr fehle. Als er hörte, daß der Buddha keinen Nonnenorden gründen wollte, machte er sich zum Fürsprecher der Frauen und trug dem Buddha deren Bitte als die seine vor. Der Buddha erwiderte: "Lass es gut sein, Anando. Mögest du es nicht gutheißen, daß die Frau unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordnung vom Hause in die Hauslosigkeit zieht. " Als Anando zum zweiten und dritten Male vergeblich seine Bitte wiederholt hatte, versuchte er es auf andere Weise und fragte: "Ist wohl eine Frau, wenn sie unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordnung vom Hause in die Hauslosigkeit zieht, imstande, die Frucht des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, der Nichtwiederkehr und der Heiligkeit zu verwirklichen? " Als der Erwachte dies bejahte, da folgerte Anando: "Wenn nun also, o Herr, eine Frau dazu imstande ist und weil ja auch Mahapajapati, die Gotamidin, dem Erhabenen große Dienste erwiesen hat, seine Tante ist, seine Erzieherin und Ernährerin war, die den Erhabenen nach dem Tode seiner Mutter mit ihrer eigenen Milch stillte - daher wäre es gut, wenn der Erhabene es den Frauen gestatten würde, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordnung vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen. " Darauf erwiderte der Erwachte: Eine Frau könne ordiniert werden, wenn sie als gewichtiges Gesetz (garu-dhamma) acht Dinge auf sich zu nehmen bereit sei, die dann als Grundgesetz für den Nonnenorden zu gelten hätten. Diese acht Regeln sollen die Lehrgemässe Führung des Nonnenordens durch den Mönchsorden und somit die Unterordnung festgrenzen . Mahapajapati nahm diese Regeln nicht nur notgedrungen auf sich, sondern erklärte: "Wie ein junger Mensch einen Blütenkranz aufs Haupt setzt, so nehme ich diese Regeln freudig und als Schmuck auf mich und werde sie zeitlebens innehalten. " Nachdem Mahapajapati und die anderen Sakyerinnen nun Nonnen geworden waren, sagte der Buddha zu Anando: Hätten die Frauen diese Erlaubnis nicht erhalten, so würde der Reinheitswandel noch lange Bestand haben, so würde die rechte Lehre (das gute Gesetz) noch tausend Jahre bestehen. Jetzt aber werde sie nur fünfhundert Jahre dauern. "Wie aber, Anando, ein Mann bei einem großen Teiche schon im voraus einen Damm errichtet, damit das Wasser nicht überlaufen kann, ebenso nun auch, Anando, habe ich schon im voraus den Nonnen die acht zeitlebens nicht zu übertretenden gewichtigen Gesetze gegeben." So sich übend wurde Maha-Pajapati, die Gotamidin, die erste Frau, die den Heilsstand erreicht hatte und in der Erlösung dem Vollendeten gleich war. Ihr sollten noch viele Nonnen folgen .            

Der Bericht über die Gründung des Nonnenordens kann für die heutigen Frauen diskriminierend wirken. War der Buddha vielleicht ein heimlicher Frauenfeind, weil er sich so lange geweigert hat, einen Nonnenorden zuzulassen, oder weil er erklärte, daß der Reinheitswandel nur noch 500 statt 1000 Jahre nach seinem Tode besteht, falls es Frauen erlaubt wird, in den Orden einzutreten? Entsprang diese Ablehnung daher, daß er in eine von Männern dominierte Gesellschaft hineingeboren wurde und unter diesem Einfluß so reagieren mußte?            

Keine dieser oft sehr farbigen und manchmal auch zu oberflächlichen Betrachtungen trifft zu. Der Buddha sah deutlich die Behinderung des Reinheitswandels durch das Zusammenleben eines Mönchs- und Nonnenordens und warnte eindringlich: ,Keine andere Gestalt kenne ich, ihr Mönche, die so lusterregend, so reizvoll, so berauschend, so bestrickend, so betörend und so hinderlich wäre, die unvergleichliche Sicherheit zu erlangen, als gerade die Gestalt der Frau. Wegen der Gestalt der Frau, ihr Monche, sind die Wesen in Entzücken und Begierde entbrannt, betört und gefesselt; und lange lagen sie im Banne der weiblichen Gestalt . Ob, ihr Monche, die Frau geht oder steht, sitzt oder liegt, lacht, spricht, singt, weint, selbst als Leiche, ihr Mönche, fesselt die Frau das Herz des Mannes. Sollte man also, ihr Mönche , etwas mit R echt als eine vollständige Falle Maros bezeichnen, so hätte man mit Recht die Frau als vollständige Falle Maros zu bezeichnen: Das Ganze gilt natürlich auch im umgekehrten Sinn für die Frauen . So heisst es denn im gleichen Text in A V 55 . Keine andere Gestalt kenne ich ihr Nonnen, die so lusterregend, so reizvoll ist,... wie die Gestalt des Mannes.... Da zur Zeit der Gründung des Nonnenordens bereits ein Mönchsorden bestand , befürchteten die erfahrenen Mönche, daß die Verlockung des anderen Geschlechts den Reinheitswandel stören würde, vor allem auch für neu in den Orden eingetretene Mönche. Die erotische Spannung zwischen den Geschlechtern ist ja eine der stärksten Triebfesseln, die es zu überwinden gilt, wenn man sich für ein Ordensleben in Keuschheit entschieden hat. Gerade das Ordensleben sollte aber, mit seiner zurückgezogenen Lebensweise, diesen Kampf erleichtern. Diese Gefahr, die ja dann auch später zu einigen Problemen im Ordensleben führte (vor allem bei den Mönchen), sah der Buddha, als er sich weigerte, einen Nonnenorden zuzulassen. Das hat aber mit einer Diskriminierung der Frau nichts zu tun. Der Buddha hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß das Geschlecht in der Lehrnachfolge keine Rolle spielt und einzig das ernsthafte Streben zur Verwirklichung der Freiheit vom Leiden, von Gier, Haß und Verblendung wichtig ist. Der Buddha hatte eine gewaltige Aufgabe auf sich genommen , nämlich den Aufbau des Ordens und das Errichten von Bedingungen , die diesen Orden möglichst lange bestehen lassen sollten ; und dieser gewaltigen , kaum lösbaren Aufgabe sollte er nun noch den Frauenorden zubürden und so die organisatorischen Probleme de Facto verdoppeln . Auch dieser Punkt sollte mehr Beachtung finden . Im Vinaya gibt es 227 numerierte Regeln für Mönche, aber 311 für Nonnen Den Frauen werden also 84 Regeln zusätzlich auferlegt. "Blickt man auf diesen großen Unterschied in der Zahl, so ist man geneigt zu denken, daß die Mönche begünstigt würden; betrachtet man aber die Natur dieser Regeln, so ist die Kluft des Unterschiedes fast annulliert und bedeutungslos gemacht. Die meisten dieser Regeln sind entweder bloße Folgerungen aus einer anderen oder erläuternd oder eine bloße Klarstellung des Punktes. Die Uberprüfung dieser Regeln, die nur für Nonnen sind, enthüllt, daß nichts so schlimm oder ungerechtfertigt ist wie Meinungen. Man findet kein Motiv, Frauen durch Einführung dieser 84 Sonderregeln zu degradieren, wie Kritiker meinen. " Man könnte noch Folgendes hinzufügen: Außer den numerierten Regeln im Patimokkha gibt es im Mahavagga und Cullavagga des Vinaya noch eine immense Fülle von Regeln, die der Buddha erlassen hat und die ebenso bindend sind wie die numerierten. Dabei aber ist die Anzahl dieser Regeln schon nach flüchtigem Überblick (gezählt hat man sie nicht, was auch schwer ist, weil sie in die Texte verflochten sind) für Mönche ungemein größer als für Nonnen. Wollte man überhaupt von einer größeren Belastung durch Regeln sprechen, dann sind die Mönche mehr belastet als die Nonnen . Bei den numerierten Regeln haben zwar die Nonnen 84 Regeln mehr, aber bei den unnumerierten müssen die Mönche einige hundert Regeln mehr als die Nonnen erfüllen . Nichts ist so ungerechtfertigt wie Vormeinungen und Vorurteile, die auf bloßem äußerlichen Anschein beruhen.

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