Buddhistische Gemeinschaft Schweiz

 



Die edle Wahrheit von der Dukkha-Entstehung

Was ist nun, ihr Mönche, die edle Wahrheit von der Dukkha-Entstehung? Es ist jener dasein-erzeugende Trieb, jenes bald hier, bald nach Befriedigung dürstende Begehren [Tanhâ, wörtlich: Durst], das sinnliche Begehren (kâmatanhâ), das Begehren nach individuellem (zukünftigen) Dasein (bhavatanhâ), das Begehren gegenwärtigen Wohlseins (vibhavatanhâ).

Wo aber, ihr Mönche, nimmt dieses Begehren [Tanhâ, wörtlich: Durst] seinen Ursprung und wo wächst es? Wo setzt es sich fest und wo faßt es Wurzel?

[Die sechs Sinne:] Das Auge ist entzückend, ist angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und dort faßt es Wurzel. Ohr, Nase, Zunge, Körper und Verstand (mano) sind entzückend, sind angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und dort faßt es Wurzel.

[Die sechs Sinnesobjekte:] Die Formen, Töne, Düfte, Säfte, Tastungen und Verstandes-Objekte (Gedanken, usw.) sind entzückend, sind angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und faßt es Wurzel.

[Das sechsfache Bewußtsein:] Das dem Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten und Denken entsprungene Bewußtsein ist entzückend, ist angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und faßt es Wurzel.

[Der sechsfache Kontakt:] Der durch Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten und Denken entstandene Kontakt [der Sinnesorgane mit den ihnen entsprechenden Objekten] ist entzückend, ist angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und faßt es Wurzel.

[Das sechsfache Gefühl:] Die durch Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten und Denken hervorgerufenen Gefühle sind entzückend, sind angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und faßt es Wurzel.

[Die sechsfache Wahrnehmung und Vorstellung:] Die Wahrnehmung und die Vorstellung der Formen, der Töne, der Düfte, der Säfte, der Tastungen und der Gedanken ist entzückend, ist angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und faßt es Wurzel.

[Das sechsfache Verlangen:] Das Verlangen nach den Formen, nach den Tönen, nach den Düften, nach den Säften, nach den Tastungen und nach den Gedanken ist entzückend, ist angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und faßt es Wurzel.

[Das sechsfache Urteilen und Nachdenken:] Das Urteilen und Nachdenken über Formen, über Töne, über Düfte, über Säfte, über Tastungen und über Gedanken ist entzückend, ist angenehm den Menschen: dort nimmt das Begehren seinen Ursprung, dort wächst es, dort setzt es sich fest, und faßt es Wurzel.

Das nennt man, ihr Mönche, die edle Wahrheit von der Dukkha-Entstehung. (Dîgha-Nikâya)

[Offenbare Dukkha-Verkettung:] Und von Begehren getrieben, von Begehren gereizt, von Begehren bewogen, eben nur aus eitel Begehren streiten Könige mit Königen, Fürsten mit Fürsten, Brahmanen mit Brahmanen, Bürger mit Bürgern, streitet die Mutter mit dem Sohne, der Sohne mit der Mutter, der Vater mit dem Sohne, der Sohne mit dem Vater, streitet Bruder mit Bruder, Bruder mit Schwester, Schwester mit Bruder, Freund mit Freund. Also in Zwist, Zank und Streit geraten, gehen sie mit Fäusten auf einander los, mit Steinen, Stöcken und Schwertern. Und so eilen sie dem Tode entgegen oder tötlichem Schmerze. Das aber, ihr Mönche, ist Elend des Begehrens, ist die offenbare Dukkha-Verkettung, durch Begehren gefügt, durch Begehren erhalten, durch Begehren schlechthin bedingt.

Und ferner noch, ihr Mönche: Von Begehren getrieben, von Begehren gereizt, von Begehren bewogen, eben nur aus eitel Begehren brechen sie Verträge, rauben fremdes Gut, stehlen, betrügen, verführen Ehefrauen. Da lassen die Könige einen solchen ergreifen und verhängen mancherlei Strafen, als wie Peitschen-, Stock- oder Rutenhiebe; Handverstümmelung, Fußverstümmelung oder Verstümmelung der Hände und Füße; das Zerreißen durch Hunde, die lebendige Pfählung, die Enthauptung. und so eilen sie dem Tode entgegen oder tötlichem Schmerze. Das aber, ihr Mönche, ist Elend des Begehrens, ist die offenbare Dukkha-Verkettung, durch Begehren entstanden, durch Begehren gefügt, durch Begehren erhalten, durch Begehren schlechthin bedingt.

[Verborgene Dukkha-Verkettung:] Und ferner noch, ihr Mönche: Von Begehren getrieben, von Begehren gereizt, von Begehren bewogen, eben nur aus eitel Begehren wandeln sie in Taten den Weg des Unrechts, wandeln sie in Worten den Weg des Unrechts, wandeln sie in Gedanken den Weg des Unrechts. Und in Taten auf dem Wege des Unrechts, in Worten auf dem Wege des Unrechts, in Gedanken auf dem Wege des Unrechts gelangen sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, in Verderben und Unheil. Denn es heißt: Nicht in dem Reich der Lüfte, nicht in der Tiefe des Meeres, nicht in den Höhlen der Berge, überhaupt nirgends in der Welt findet sich eine Stätte, wo du ledig würdest deiner unheilsamenn Tat. (Dhammapada). Das aber, ihr Mönche, ist Elend des Begehrens, ist die verborgene Dukkha-Verkettung, durch Begehren gefügt, durch Begehren erhalten, durch Begehren schlechthin bedingt. (M 13)

Es gibt eine Zeit, ihr Mönche, wo das große Weltmeer versiegt, austrocknet, nicht mehr ist. Nicht aber, wahrlich, das sage ich, ihr Mönche, gibt es ein Ende des Dukkha für die vom Nichtwissen umhüllten Wesen, die durch den Durst nach Dasein immer und immer wieder zu erneuter Geburt geführt werden und den endlosen Kreislauf der Wiedergeburten durcheilen.  Es gibt eine Zeit, ihr Mönche, wo die gewaltige Erde vom Feuer verzehrt wird, zugrunde geht, nicht mehr ist. Nicht aber, wahrlich, das sage ich, ihr Mönche, gibt es ein Ende des Dukkha für die vom Nichtwissen umhüllten Wesen, die durch den Durst nach Dasein immer und immer wieder zu erneuter Geburt geführt werden und den endlosen Kreislauf der Wiedergeburten durcheilen (S III, XXII, 99).

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