Buddhistische Gemeinschaft Schweiz

 



Der Befolger der Lehre

Doch dass der Erhabene das Heil der Mönche in einer Ausgeglichenheit von Abgeschiedenheit , Lernen und Meditation sah , geht aus der schönen Lehrrede A V 73 Der Befolger der Lehre hervor . »'Ein Befolger der Lehre, ein Befolger der Lehre', so spricht man, o Herr. Inwiefern nun, o Herr, ist man ein Befolger der Lehre?« - »Da, o Mönch , lernt ein Mönch die Lehre, nämlich Lehrtexte , Verse , Aussprüche und Erklärungen und mit dem Lernen der Lehre verbringt er den ganzen Tag. Er meidet die Einsamkeit und widmet sich nicht der inneren Geistesruhe. Einen Lerneifrigen nennt man diesen Mönch, aber keinen Befolger der Lehre. Ferner, o Mönch: da legt ein Mönch die Lehre, so wie er sie gehört und gelernt hat, anderen ausführlich dar, und mit dem Darlegen der Lehre verbringt er den ganzen Tag. Er meidet die Einsamkeit und widmet sich nicht der inneren Geistesruhe. Einen eifrigen Lehrredner nennt man diesen Mönch, nicht aber einen Befolger der Lehre. Ferner, o Mönch : da sagt ein Mönch die Lehre, so wie er sie gehört und gelernt hat, ausführlich her, und mit dem Hersagen verbringt er den ganzen Tag. Er meidet die Einsamkeit und widmet sich nicht der inneren Geistesruhe . Einen eifrigen Hersager der Lehre nennt man diesen Mönch , nicht aber einen Befolger der Lehre. Ferner, o Mönch: da denkt und sinnt ein Mönch über die Lehre , so wie er sie gehört und gelernt hat, und er erwägt sie im Geiste ; und mit dem Nachdenken über die Lehre verbringt er den ganzen Tag. Er meidet die Einsamkeit und widmet sich nicht der inneren Geistesruhe. Einen eifrigen Denker nennt man diesen Mönch , nicht aber einen Befolgter der Lehre. Ferner, o Mönch : da lernt ein Mönch die Lehre , doch mit dem Lernen der Lehre verbringt er nicht den ganzen Tag . Er meidet nicht die Einsamkeit und widmet sich der inneren Geistesruhe . So wahrlich , o Mönch , ist der Mönch ein Befolgter der Lehre. Erklärt habe ich so, o Mönch , den Lerneifrigen , erklärt den eifrigen Lehrredner, erklärt den eifrigen Hersager, erklärt den eifrigen Denker und erklärt den Befolger der Lehre. Was, o Mönch, ein Meister für seine jünger tun mag, ihr Wohl wünschend , aus Mitleid für sie, von Mitleid bewogen, das habe ich für euch getan . Hier sind Plätze unter den Bäumen , hier sind leere Behausungen ! Übe Vertiefung , o Mönch , und sei nicht lässig, auf daß du nicht später Reue empfindest! Das ist meine Weisung für euch .« Die Aussage scheint mir klar : Der Orden wurde eingerichtet , um den Mönchen und Nonnen den unbedingten Reinheitswandel zu ermöglichen , aber genau so zum Lernen und Weitergeben der Lehre wie auch besonders zur Meditation . Wer sich darin nicht unablässig bemüht und nicht allem die gleiche Beachtung und Wertschätzung schenkt , ist kein Befolger der Lehre des Erhabenen . An dieser Stelle möchte ich noch kurz auf den Eintritt in den Orden eingehen . Kinder können zu Roben tragenden Novizen ordiniert werden , aber nur mit der Zustimmung ihrer Eltern . Vollordination ist erst mit 20 Jahren möglich . Dazu lesen wir in MV I 75 , 20 Jahre ab der Zeugung : Zu jener Zeit war der ehrwürdige Kumarakassapa zwanzig Jahre alt, von der Empfängnis an gerechnet . Da kam dem ehrwürdigen Kumarakassapa folgender Gedanke : Der Erhabene erließ die Regel : Nicht soll eine Person von weniger als zwanzig Jahren vollordiniert werden, ich bin zwanzig Jahre von der Empfängnis an gerechnet. Bin ich jetzt ein Vollordinierter oder bin ich jetzt kein Vollordinierter? Dem Erhabenen erzählten sie diesen Sachverhalt. "Wenn , ihr Mönche , im Mutterschoß zum ersten Mal "Gemütsverfassung" entsteht , zum ersten Mal "Bewußtsein" entsteht , aufgrund dessen entsteht seine Geburt. Ich erlaube, ihr Mönche, einen der zwanzig Jahre alt von der Empfängnis an gerechnet ist, vollzuordinieren." (1) //75// Der angehende Mönch soll sich zur Ordination einen Unterweiser aussuchen und dann fünf Jahre unter dessen Anleitung und Aufsicht üben . Erst dann weiss man ihn in den Mönchstugenden gefestigt . Austritt aus dem Orden ist jederzeit ohne grössere Umstände möglich , ebenso die erneute Wiederordination . Die Ordination zum Mönch verpflichtet zu Almosenspeise , Fetzengewandtragen und dem Leben unter einem Baum ; alles Andere sind besondere Gaben , wie aus MV 1 / 77 hervorgeht : Die Ordination ist nur für Almosenspeise , darum sei bemüht bis zum Lebensende . Besondere Gaben sind: Speisen für den ganzen Sangha , eine Einladung , Speisen gegeben zum Uposathatag . Die Ordination ist nur für Kleidung aus fortgeworfenen Lumpen, darum sei bemüht bis zum Lebensende. Besondere Gaben sind gespendete Tücher und Roben. Die Ordination ist nur zum Verweilen am Fuße eines Baumes, darum sei bemüht bis zum Lebensende. Besondere Gaben sind: eine Hütte, ein Haus mit einem Dach, eine Höhle. Die Ordination ist nur für verfaulten Rinderurin als Medizin , darum sei bemüht bis zum Lebensende. Besondere Gaben sind: Butterschmalz, Öl und Honig, " Nur wenn sich die Mönche dieser Sätze bewusst sind , sich immer wieder auf die Wurzeln zurückbesinnen und den höchsten Reinheitswandel pflegen , wird auch das Gültigkeit haben , was am Ende von MV I steht : Selbst wenn die Suttas und der Abhidhamma vergessen würden , wenn der Vinaya nicht verloren geht , besteht der Orden . Die Erklärung ist , dass im Vinaya Pitaka vieles vorkommt , was auch in den Lehrreden anzutreffen ist , einfach in anderer Form ; der Vinaya ist in sich selber verständlich und selbsterklärend , man könnte ihn sogar als in sich geschlossene Lehre bezeichnen . Und der Vinaya ist präzise und Lückenlos , was , da ohne Klärungsbedarf , für sein langes Bestehen massgeblich ist . Auf dem ersten Konzil, wenige Wochen nach dem Hinscheiden des Erwachten, hatten die 500 ausnahmslos heiligen Teilnehmer die Lehre (dhamma) in ihrer Tiefe, Fülle und Weite Wort für Wort in einer solchen Klarheit und Genauigkeit festgestellt, daß noch nach 100 Jahren beim zweiten Konzil über ihren Wortlaut niemand irgendeinen Klärungsbedarf anzumelden hatte. In diesen 100 Jahren waren nur Fragen der Ordensregeln klärungsbedürftig geworden, und auch das waren nur zehn, und sie gingen nur von den Vajjermönchen aus Vesali aus. Acht betrafen nur Kleinigkeiten zwischen Salzhörnchen und Sitzunterlage. Daß ein so deutlicher Nachhall dieses Höchsten Wandels bis heute zu vernehmen ist, verdanken wir der Fülle und Genauigkeit, mit der uns die Aussagen des Erwachten über Lehre und Heilsordnung in den Texten des P?li-Kanon bis zum heutigen Tage vom Orden getreu überliefert wurden und von danach lebenden Menschen als Übersetzern ,wie der Ehrwürdige Nyanaponika , Herausgebern wie Raimund Beyerlein und Aufschließern wie ein Paul Debes , bis in unsere westlichen Kulturkreise weitergetragen worden sind. Zwar haben im Lauf der Jahrhunderte , suchende Menschen in manchen Schulen ernannten oder gewählten Autoren , Patriarchen , Meistern, Äbten oder von älteren Lehrern autorisierten spirituellen Lehrern Anregung und Vorbild zu verdanken , aber diese Hilfen wirken um so klarer, je deutlicher sie alle sich klar waren, daß in ihren jeweils eigenen Erfahrungen und Methoden nicht die Ouelle liegt, sondern einzig und allein in dem Nachvollzug der gründlich nach Sinn und Wortlaut gekannten, überlieferten Stimme des Erwachten. Daß dies bis heute ins dritte Jahrtausend , fortwirken kann, liegt daran, daß der Erwachte selber die "Nachfolgefrage" völlig von einzelnen Menschen - Heiligen, Patriarchen, einzelnen Lehrern oder Schulengründern - abgelöst und noch in der Sterbestunde gesagt hatte: "Es könnte sein, dass ihr denkt : Aus ist es mit der Unterweisung des Meisters,- wir haben keinen Meister mehr Aber so ist das nicht anzusehen: Was euch von mir als die Lehre und die Heilsführung gelehrt worden ist, das sei nach dem Verscheiden euer Meister " (D 1 6, IV). Und daß diese Nachfolgeregelung auch über diese Sterbestunde und über den Orden hinaus zu allen Nachfolgern, auch zu den im Haus lebenden, weitergetragen worden ist, das sehen wir u.a. aus dem folgenden Auszug der Lehrrede M 108 : Der Brahmane Vassakaro, der Erste Minister von Magadha, der die Befestigungsarbeiten in Rajagaha überwachte, fragte: »Herr Anando, ist denn ein bestimmter Mönch vom Herrn Gotamo eingesetzt worden.- Der ist als mein Nachfolger euer Leiter, an den ihr euch nun halten könnt?"' – Es gibt keinen Mönch, Brahmane, der vom Erhabenen eingesetzt worden ist. 'Der ist als mein Nachfolger euer Leiter, an den ihr euch nun halten könnt." – Gibt es denn einen Mönch, der in einer Ordensversammlung von der Mehrheit der Mönchslehrer dazu gewählt worden ist?" – Es gibt keinen Mönch, der in einer Ordensversammlung von der Mehrheit der Mönchslehrer gewählt worden ist. – Dann seid ihr aber doch führungslos, Herr Anando! Was hält euch denn darin noch zusammen?' Wir sind nicht führungslos, Brahmane, wir haben eine Leitung.- Wir werden von der Lehre geleitet . Auf die Frage, ob ein bestimmter Mönch vom Herrn Gotamo als Nachfolger eingesetzt worden ist oder ob ein Mönch in einer Ordensversammlung von der Mehrheit der Mönchslehrer zum Leiter gewählt worden ist, antwortest du mit Nein. Auf die Frage.- Dann seid ihr aber doch führungslos, Herr Anando, was hält euch denn dann noch zusammen?. antwortest du.- 'Wir sind nicht f'ührungslos, wir haben eine Leitung.- Wir werden von der Lehre geleitet.' Was hat denn das, zu bedeuten, Herr Anando?" - , Es gibt eine Übungsweise, die vom Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Geheilten, Vollkommen Erwachten als verbindliche Ordensregel (P?timokkha) für die Mönche festgesetzt worden ist : Wenn sich drei von uns am Reinigungsfeiertag (uposatha) im gleichen Dorf aufhalten, dann kommen wir zusammen und bitten den, der an der Reihe ist, den P?timokkha vorzutragen. Wenn aufgrund von dessen Vortrag einem Mönch einfällt, dass er einen Fehltritt begangen, sich vergangen hat, dann behandeln wir ihn nach der Lehre, nach der Erkenntnis. Aber nicht die Ordensbrüder behandeln uns.- Die Lehre behandelt uns. - Das Amt eines Patriarchen oder eines "Sangha-Raja" wie ihn verschiedene buddhistische Traditionen kennen, gründet sich also weder auf den Erwachten noch auf Lehre und Ordensregeln, sondern auf Traditionen späterer Schulen. Das ist auch für den Stellenwert ihrer Aussagen im Vergleich zum Text des P?likanon von Bedeutung. Sich selber zur Leuchte, sich selber zur Zuflucht, auf keinen anderen gestützt... ' So bietet die Lehre, die -als einzige von allen in der Welt sich die wirklich ewige und absolute Freiheit zum Endziel gesetzt hat, zugleich auch ihren Nachfolgern das Höchstmaß von geistiger Freiheit: , Wegweiser nur sind die Vollendeten ' (M 107). Um so größer die Verantwortung dem eigenen Streben gegenüber, auch genau auf den Wegweiser hinzuschauen, genau auf seine Stimme hinzuhören . Von Suchenden, die - oft nach langen und schmerzlichen Umwegen - aus dem Streben nach fundierter Kenntnis der Lehre als "Echolot" zum Praktizieren im Leben über Jahre und Jahrzehnte hinweg zunehmend Wahrheit, Klarheit, Geduld, Kraft und Frieden finden, hört man auch heute noch oft in vertrautem Kreis jenen stillen Jubelruf des heiligen Mönchs Pilindavaccho (Thag 9) zitieren:    "Gefunden hab ich’s, nicht verfehlt. Kein übel Ding bedünkt es mich. Vom allem, was die Welt gewährt, hab ich das Beste ausgewählt!"